Thursday, July 17, 2025

Wilhelm Heinrich Grauert on Kristina and Hugo Grotius

Source:

Christina, Königinn von Schweden, und ihr Hof, volume 1, pages 161 to 166, by Wilhelm Heinrich Grauert, 1837; original at the Bavarian State Library


The account:

Es ist bekannt, daß H. Grotius, vielleicht das größte Genie seines Jahrhunderts, bei den politischen und religiösen Parteiungen in Holland verwickelt wurde in das unglückliche Schicksal seines Freundes Olden Barneveld, und ihm nur in so fern ein weniger trauriges Loos zu Theil ward, daß man Barneveld zum Tode verurtheilte, Grotius aber zu lebenslänglichen Gefängnisse; daß er aber durch die List seiner Gattinn aus diesem Gefängnisse befreit wurde, und sich nach Frankreich rettete. Hier erhielt er eine beträchtliche Pension vom Kardinal Richelieu, und genoß sie 11 Jahre lang; plötzlich aber wurde sie ihm entzogen, wahrscheinlich, weil er den allmächtigen Minister persönlich verletzt hatte. Mit neuen Aussichten und Hoffnungen kehrte er in sein Vaterland zurück; allein diese wurden vereitelt, und sich nach Hamburg zu begeben. Um diese Zeit hörte König Gustav Adolf von seinen widerwärtigen Schicksalen, und da er aus seinem großartigen Werke, de iure belli et pacis, eine außerordentliche Hochachtung für ihn geschöpft hatte, so befahl er dem Salvius, seinem Residenten in Hamburg, dem großen Manne Schwedische Dienste anzubieten. Der Tod des Königs, welcher in demselben Jahre eintraf, schien freilich diese frohe Aussicht dem schon fast 50jährigen Manne zu vereiteln. Allein Oxenstierna hatte eine so große Pietät für alle Entwürfe seines Fürsten, daß er auch diesen verwirklichte. Er gab ihm den Charakter eines Schwedischen Rathes, und schickte ihn bald darauf (1634) als Gesandten an den Hof Ludwig's XIII. Natürlich mußte es der Kardinal Richelieu übel empfinden, daß derjenige, den er kurz vorher eines Gehaltes nicht gewürdigt hatte, wie er es so manchen unbedeutenden Personen zukommen ließ, als Gesandter einer der damals bedeutendsten Mächte an seinen Hof zurückkam: und diese Maßregel des Reichskanzlers hat wohl noch einen besondern Grund gehabt, so ausgezeichnete Fähigkeiten Grotius auch besaß: es läßt sich aber schwerlich mit dem großen Charakter Oxenstierna's reimen, daß Richelieu ihm bei seinem Besuche am Französischen Hofe nicht genug Ehre erwiesen habe: eher möchte er in der allgemeinen Abneigung liegen, welche Oxenstierna gegen den sehr verschiedenen Charakter Richelieu's hegte, verbunden mit der hohen Werthschätzung des Grotius und dem Wunsche, seine Lage zu verbessern. Genug, der Französische Minister wandte Alles an, um die Zurückberufung des Schwedischen Gesandten zu bewirken; und die Holländer, gegen ihren Landsmann noch immer aufgebracht, unterstützen ihn darin treulich. Allein Oxenstierna war nicht der Mann, sich durch dergleichen Insinuationen bewegen zu lassen. Anfangs bezweifelte man seine Vollmacht, einen Gesandten zu schicken, mußte sich aber ergeben, als Schwedischer Seits auf den Traktat hingewiesen wurde, den man mit dem Reichskanzler als General-Bevollmächtigten geschlossen hatte. Darauf kränkte man Grotius durch mancherlei Zurücksetzungen im Ceremoniel, wogegen dieser sich um Richelieu gar nicht kümmerte, und auf die Erweisung der ihm gebührenden Ehre strenge hielt. Dieß veranlaßte mancherlei Verdrießlichkeiten und Klagen von beiden Seiten. In der Folge näherte sich der Kardinal dem Gesandten freilich mehr, und man schob die Schuld auf den berüchtigten Pater Joseph, den Gehülfen Richelieu's: allein die Unbiegsamkeit des Grotius, welcher dem Kardinal auf keine Weise den Hof machen wollte, wie dieser es von der ganzen Welt verlangte, und seiner Würde als Gesandter nicht das Mindeste vergab, führte doch fortwährend manche Mißhelligkeiten herbei. Mit dem Tode Richelieu's (1642) fielen diese Persönlichkeiten weg, aber es scheint, daß Grotius fortwährend am Französischen Hofe nicht ganz wohl gelitten war. Oxenstierna aber unterstützte und bestärkte mit Beharrlichkeit seinen Gesandten in diesem Betragen, so lange er noch die oberste Leitung der Schwedischen Angelegenheiten in Händen hatte. Er war es auch ohne Zweifel, der ihn vermochte, seine Stellung nicht aufzugeben. Grotius nämlich war ein Greis geworden von 60 Jahren, und wünschte, sich aus dem eitlen Prunke und den beengenden Formen des Französischen Hoflebens in gemüthliche Ruhe und Selbständigkeit zurückzuziehn: er schrieb an seinen Freund du Maurier: "ich fühle, daß ich nicht für den Hof geschaffen bin." Als nun die Königinn selbst die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, und sich gegen Oxenstierna immer entschiedener eine Parthei bildete, welche dem Französischen Wesen sich zuneigte, und Christina in ihrer Vorliebe dafür immer mehr bestärkte: sah man es gern, daß der dem Französischen Hofe mißfällige Gesandte seine Stellung aufzugeben wünschte. Er wurde indeß nicht eigentlich zurückberufen, sondern erhielt die Bewilligung, nach Schweden zu kommen, um der Königinn von seiner Wirksamkeit Bericht abzustatten. So verließ er Frankreich und kam (Juni 1645) nach Schweden. So wie seine Ueberkunft auf ehrenvolle Weise veranstaltet wurde, indem der Admiral Wrangel ihn auf einem Kriegsschiffe von Wismar nach Calmar bringen ließ, so empfing ihn auch die Königinn mit vieler Huld. Er legte ihr Rechenschaft ab von seiner Gesandtschaft und erstattete Dank für die ihm erwiesene Gnade: Christina bezeugte ihm ihre Erkenntlichkeit für die Dienste, welche er dem Reiche während ihrer Minderjährigkeit geleistet, und versprach, dafür dankbar zu sein. Aber er bat auch um seine Entlassung. Zuerst gab die Königinn eine unbestimmte Antwort, so daß Grotius glaubte, sie wolle ihn in ihrer Nähe behalten. Allein gleich bei seiner Ankunft hatte er am Hofe Eifersucht und Neid gegen sich bemerkt; das Uebelwollen gegen den Günstling Oxenstierna's und den Ausländer stieg, als er seine Entlassung nicht erhielt, und man befürchtete, er werde eine hohe Stelle am Hofe einnehmen; ihm aber sagten das Klima des Landes und die Lebensweise und Verhältnisse keineswegs zu. Daher drang er wiederholt auf die Gewährung des Abschiedes. Und so erhielt er ihn, doch nicht ohne einen erfreulichen Beweis der königlichen Huld: denn Christina machte ihm ein Geschenk von etwa 15000 Thlr. in Kupfer. Er schiffte sich bald darauf ein, um in sein Vaterland zurückzukehren. Aber ein gewaltiger Sturm überfiel ihn, und richtete das Schiff, welches ihn trug, so übel zu, daß es an der Küste Pommerns scheiterte. Sehr krank gelangte er nach Rostock; und in wenigen Tagen (28. Aug. 1645) ereilte ihn hier der Tod.

Dieß ist der einfache Vorgang von dem Austritte des berühmten Mannes aus Schwedischen Diensten, bestätigt durch die gewichtigsten Zeugen. Die Anekdoten- und Lügensucht der Zeit hat aber auch hier wieder ein Geschichtchen an's Licht gebracht, welches von du Maurier und ausführlicher in den Menagiana erzählt wird. Man muß erstaunen, heißt es in letzterer Schrift, daß die Königinn Christina, welche sich so laut für die Beschützerinn der Gelehrten erklärt hat, ihre Regierung damit anfing, den Grotius von seiner Gesandtschaft zurückzurufen, und ihm seine Stelle zu nehmen. Und überdieß wird folgendes Geschichtchen erzählt. Als Grotius seine Abschieds-Audienz bei der Königinn hatte, sagte sie ihm einige etwas harte Worte. Grotius antwortete: "Gnädigste Frau, ich bin Ihr unterthänigster Diener", und ging fort. Die Königinn wurde darüber erzürnt, und konnte sich der Aeußerung nicht enthalten, es sei sehr unartig von Grotius, fortzugehen, ohne Abschied von ihr zu nehmen. Aber der Marquis de Marigny, ein nicht unbekannter Franzose, versicherte ihr, das eben sei in Frankreich die Form, Abschied zu nehmen. Sie hielt das für baare Münze, ließ Grotius zurückrufen, und beschenkte ihn mit 40,000 Franken in Kupfer. — Menage sagt, er habe viele Einzelheiten aus dem Leben des Grotius von ihm selbst gehört, nämlich, während derselbe in Frankreich war: diese Anekdote kann dazu nicht gehören, da Grotius seit jener vorgeblichen Audienz nicht nach Frankreich zurückkehrte; sie ist also eigentlich ohne alle Autorität, und hat ganz das Ansehen eines von einem windigen Franzosen erfundenen Histörchens.

Gewiß ist aber aus dem Obigen, daß die Feinde des Kanzlers am Hofe dem Grotius sehr feindselig entgegentraten, und die Königinn vermochten, ihm die geforderte Entlassung zu ertheilen. Bestätigt wird dieß noch durch einen Brief, worin es heißt, Grotius habe Schweden verlassen, eben so verdrießlich über den Hof, wie zufrieden mit der Königinn. Diese aber hat später auch noch seiner Wittwe große Huld bewiesen, wie später wird gezeigt werden.

English translation (my own):

It is well known that Hugo Grotius, perhaps the greatest genius of his century, became involved in the political and religious turmoil in Holland, in the unfortunate fate of his friend Oldenbarnevelt, and only met with a less sad fate in that Barnevelt was sentenced to death, while Grotius was sentenced to life imprisonment. However, through the cunning of his wife, he was freed from this prison and escaped to France. There he received a substantial pension from Cardinal Richelieu, which he enjoyed for eleven years; but it was suddenly withdrawn, probably because he had personally offended the all-powerful minister.

With new prospects and hopes, he returned to his Fatherland; but these were dashed, and he was able to go to Hamburg. Around this time, King Gustav Adolf heard of his disastrous fortunes, and, having derived extraordinary respect for him from his magnificent work, De jure belli et pacis, he ordered Salvius, his resident in Hamburg, to offer the great man Swedish service.

The King's death, which occurred in the same year, seemed, however, to thwart this happy prospect for the man, who was already almost 50 years old.

But Oxenstierna had such great piety for all his prince's plans that he carried this one out as well. He gave him the status of a Swedish councilman and soon afterward (1634) sent him as ambassador to the court of Louis XIII. Naturally, Cardinal Richelieu must have felt badly that someone whom he had recently denied a salary, as he granted to so many insignificant people, returned to his court as the ambassador of one of the most important powers of the time.

This measure by the Grand Chancellor probably had a special reason, despite Grotius's outstanding abilities. However, it is difficult to reconcile with Oxenstierna's great character that Richelieu did not show him sufficient honor during his visit to the French court. Rather, it might have been due to Oxenstierna's general dislike for Richelieu's very different character, combined with his high esteem for Grotius and his desire to improve his situation.

Suffice it to say, the French minister did everything in his power to bring about the recall of the Swedish ambassador; and the Dutch, still incensed against their compatriot, faithfully supported him in this. But Oxenstierna was not the man to be swayed by such insinuations. At first, his authority to send an envoy was doubted, but the Swedish side had to relent when it pointed out the treaty they had concluded with the Grand Chancellor as general plenipotentiary.

Grotius was then offended by various omissions in the ceremony, but the latter paid no attention to Richelieu and insisted on showing him the honour due. This caused much annoyance and complaint on both sides. Subsequently, the Cardinal became closer to the ambassador, and the blame was laid on the infamous Father Joseph, Richelieu's assistant; but the inflexibility of Grotius, who in no way wished to pay the Cardinal the court he demanded of the whole world, and who did not forgive his dignity as ambassador in the slightest, nevertheless continually led to many disagreements.

With the death of Richelieu (1642), these personalities disappeared, but it seems that Grotius continued to be disliked at the French court. Oxenstierna, however, persistently supported and encouraged his ambassador in this conduct as long as he still retained supreme leadership of Swedish affairs. It was undoubtedly he who persuaded him not to abandon his position. Grotius had namely reached the age of 60 and wished to withdraw from the vain pomp and circumstance of French court life into comfortable peace and independence. He wrote to his friend du Maurier:

"I feel that I am not made for the court."

When the Queen herself had taken over the reins of government, and a party increasingly formed against Oxenstierna — one that leaned more strongly toward the French way of life and increasingly strengthened Kristina's preference for it, — it was welcomed that the ambassador, who had displeased the French court, wished to give up his position.

He was not, however, actually recalled, but was given permission to come to Sweden to report to the Queen on his activities. So he left France and came to Sweden (June 1645). As his arrival was honorably arranged, with Admiral Wrangel having him brought from Wismar to Kalmar on a warship, the Queen also received him with much grace. He gave her an account of his embassy and expressed his gratitude for the favour shown to him. Kristina expressed her gratitude for the services he had rendered to the realm during her minority and promised to be grateful for them.

But he also asked for his dismissal. At first the Queen gave a vague answer, so that Grotius believed she wanted to keep him close to her. However, immediately upon his arrival, he noticed jealousy and envy at court; ill will toward Oxenstierna's favourite and the foreigner grew when he was denied his release, and there were fears that he would assume a high position at court.

However, the climate of the country, the way of life, and the conditions were by no means to his liking. He therefore repeatedly insisted on being granted his release. And so he received it, but not without a pleasing token of royal favour. Kristina gave him a gift of about 15,000 dalers in copper. He soon embarked to return to his homeland, but a violent storm overcame him and so badly damaged the ship carrying him that it foundered on the coast of Pomerania. He arrived in Rostock, very ill; and in a few days (August 28, 1645) death overtook him here.

This is the simple process of the famous man's departure from Swedish service, confirmed by the most authoritative witnesses. The era's craze for anecdotes and lies has, however, once again brought to light a little story, which is recounted by du Maurier and in more detail in the Menagiana. It is astonishing, the latter says, that Queen Kristina, who so loudly declared herself the protector of scholars, began her reign by recalling Grotius from his embassy and depriving him of his position. And furthermore, the following story is told:

When Grotius had his farewell audience with the Queen, she spoke some rather harsh words to him. Grotius replied, "Most gracious lady, I am your most humble servant"; and departed.

The Queen was enraged by this and could not refrain from remarking that it was very rude of Grotius to leave without taking leave of her. But the Marquis de Marigny, a not unknown Frenchman, assured her that in France this was the form of saying goodbye. She took this at face value, recalled Grotius, and presented him with 40,000 francs in copper.

Ménage says he heard many details of Grotius's life from him himself, namely while he was in France. This anecdote cannot be one of them, as Grotius never returned to France after that alleged audience. It is therefore completely without authority and has the appearance of a little story invented by a dodgy Frenchman.

What is certain, however, from the above, is that the Chancellor's enemies at court were very hostile toward Grotius, and the Queen was able to grant him the requested dismissal. This is further confirmed by a letter stating that Grotius left Sweden, as disgruntled with the court as he was pleased with the Queen. She did, however, later show great favour to his widow, as will be shown later.


Above: Kristina.


Above: Hugo Grotius.

Note: Johan van Oldenbarnevelt (1547-1619) was a Dutch statesman and revolutionary who played an important role in the Dutch struggle for independence from Spain. He is considered one of the greatest and most important political figures in the history of the Netherlands.

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