Source:
Christina, Königinn von Schweden, und ihr Hof, volume 1, pages 55 to 59, by Wilhelm Heinrich Grauert, 1837
The account:
Ein anderes Ereigniß, welches auf Christina's persönliche Verhältnisse Einfluß übte und für das Reich kurz darauf von Wichtigkeit wurde, war ein höchst unerwartetes Beginnen der Königinn Wittwe. Durch ihre Ausschließung von der Regentschaft, und besonders von der Erziehung ihrer Tochter, durch ihre darauf erfolgte gänzliche Entfernung von derselben, die Beaufsichtigung ihrer Finanzen durch den Reichrath, und die fast königliche Gewalt des Groß-Kanzlers war ihre Unzufriedenheit und Abneigung gegen Schweden immer höher gestiegen, so daß sie sogar äußerte, "lieber in fremdem Lande Wasser und Brod, als in Schweden königliche Kost." Christina freilich suchte sie einigermaßen zu beschwichtigen durch Beweise von Anerkennung ihrer mütterlichen Autorität: so meldete sie ihr (Oct. 1638), ihre Gouvernante wünsche ihres hohen Alters halber sich von dem Erziehungs-Amte zurückzuziehen, und bat sie, eine andere vorzuschlagen, da sie überzeugt sei, daß die Regentschaft ihrem Wunsche und Rathe willfährig sein werde; und als bald darauf die Prinzessinn Katharina starb, schrieb sie ihrer Mutter darüber einen Trostbrief. Allein nichts vermochte diese über den Verlust einer Machtvollkommenheit zu trösten, die sie rechtmäßig glaubte fordern zu können. Schon lange unterhielt sie daher Briefwechsel und Verkehr mit Dänemark, um auf irgend eine Art durch die Vermittelung dieses Erbfeindes von Schweden ihre Absichten zu erreichen; sie litt keinen Schweden unter ihrer Dienerschaft, gewiß um nicht beobachtet und verrathen zu werden. Sie ging nämlich mit dem Vorsatze um, Schweden heimlich zu verlassen, und zwar durch Dänische Hülfe: die Kälte zwischen dem Dänischen und Schwedischen Hofe wurde wegen politischer Verhältnisse seit längerer Zeit immer größer und auffallender. Sie lebte fortwährend auf ihrem Wittwensitze Gripsholm in Südermannland, von wo aus sie leicht die Flucht bewerkstelligen konnte. Christina, welche davon einige Kunde erhalten, lud ihre Mutter auf's Angelegentlichste ein, zu ihr nach Stockholm zu kommen, unterstützt und wahrscheinlich angeregt von der Regentschaft. Sie kam, eilte aber bald unter einem scheinbaren Vorwande wieder zurück, weil sie Nachricht erhalten hatte, das Dänische Schiff, welches sie hinwegführen sollte, sei angekommen. Von Gripsholm aus bewerkstelligte sie bald darauf (Juli 1640) ihre Flucht mit großer Verschlagenheit, und wurde nach der Dänischen Insel Falster hinübergeführt.
Die Nachricht von ihrer Flucht mußte bei der Regentschaft im höchsten Grade Bestürzung und Unwillen erregen. Christina wurde nicht minder davon getroffen. Sie benachrichtigte sogleich ihren Oheim davon, und hat ihn, sich schleunig zu ihr zu verfügen: die Mutter sei weggereist, man wisse nicht wohin, fast ohne Begleitung, "worüber ich, sammt die Regierung, seynd sehr perplex geworden, daß man nicht weiß, was man thun soll." Sowohl die Regentschaft als die Schwedische Nation war über diesen Schritt der Wittwe Gustav Adolf's und die Beihülfe Dänemarks sehr aufgebracht, zumal das Gerücht die Umstände vergrößerte und im grellsten Lichte darstellte. Erstere bezeigte dem Dänischen Residenten offen ihr Mißfallen darüber, und wurde durch des Königs Christian Entschuldigungen wenig befriedigt. Die Stände beschlossen bald darauf, das Leibgedinge der Wittwe einzuziehen, weitere Maßregeln aber dem Reichsrathe zu überlassen, unter Wahrnehmung des Interesses der Königinn Christina, und der Ehre und Sicherheit des Reiches; auch wurde ihr Name aus dem öffentlichen Gebete ausgeschlossen. Sie blieb nun eine Zeitlang in Dänemark, zumal die Mißhelligkeiten zwischen König Christian und der Schwedischen Regierung durch diese Veranlassung noch gesteigert wurden. Doch wünschte Letzterer bald, sie aus seinem Staate entfernt zu sehen, und hielt es für's Beste, daß sie zu ihren nächsten Verwandten nach Brandenburg ginge. Auch die Schwedische Regentschaft war damit einverstanden, daß sie zu ihrem Neffen, dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg sich begebe, bis die junge Königinn zur Mündigkeit und Regierung gelangt sei, wo diese dann mit dem Kurfürsten über den gebührenden Unterhalt ihrer Mutter sich vergleichen werde. Und da, auch Marie Eleonore nicht wünschte, nach Schweden zurückzukehren, so war man allerseits darüber einig. Zu dem Zwecke wurden Unterhandlungen mit dem Kurfürsten angeknüpft, die indeß eine Zeitlang in den politischen Verhältnissen Schwedens und Brandenburgs Hindernisse fanden. Erst nach zweijährigen Verhandeln kam die Sache zum Schlusse: Marie Eleonore erhielt ihr volles Leibgedinge zurück, und noch bedeutende Vortheile, und begab sich zu ihrem Neffen dem Kurfürsten. Hier lebte sie bis zum Jahre 1648, wo sie nach Schweden zurückkehrte: sie war auch in diesen Verhältnissen stets unzufrieden: seit dem Tode ihres edeln Gemahls ist Heiterkeit und Frohsinn nie mehr bei ihr eingekehrt. Christina aber scheint an diesen Verhandlungen keinen unmittelbaren Antheil genommen zu haben, obschon dieselben in ihrem Namen geführt wurden, und der König von Dänemark mehrmals an sie unmittelbar schrieb: nur vermehrte sie die Einkünfte ihrer Mutter durch eine bedeutende Zulage.
So war nun jedes Band zwischen Christina und ihrer Mutter gänzlich zerrissen. Ihre edle Tante, Prinzessinn Katharina, war ihr ebenfalls von der Seite genommen; und von den Frauen, die an ihre Stellen traten, scheint keine sich Christina's Anhänglichkeit und Vertrauen erworben zu haben. Seit ihrem 12ten Jahre stand also Christina ganz allein, ohne ein weibliches Wesen, dem sie mit Innigkeit zugethan gewesen wäre, das ihr Gemüth hätte bilden und sie leiten können in entscheidenden Entwickelungen und Verhältnissen des Lebens; nur umgeben von Männern, welche sie mit Reden von Staat und Krieg oder von Gelehrsamkeit unterhielten, den Studien mit wahrer Leidenschaft hingegeben, aber auch den Interessen des Staates und Volkes früh Aufmerksamkeit widmend. So gewann ihr Geist und Gemüth früh eine große männliche Reife und Stärke, die Weiblichkeit trat immer mehr zurück und wurde unterdrückt, und bald that sie entschiedene Schritte, die Zügel der Regierung selbst zu ergreifen. Doch bevor wir uns hiezu wenden, sind einige Momente aus ihrem persönlichen und stillen Leben zu erwähnen, die zwar vorübergehend waren, aber mit ihrer folgenden Geschichte im Zusammenhange stehen. Hiezu gehört, daß sie sich wiederholt durch ihre sonderbare Lebensweise und ihr anhaltendes nächtliches Studiren heftige körperliche Uebel zuzog: so befiel sie (im Jahre 1637) eine gefährliche Brustkrankheit; einige Jahre später (1641) war sie so bedeutend krank, daß man bei ihrer Wiederherstellung den Armen der Hauptstadt 300 Thaler schenkte; auch wurde sie im 12ten Jahre von den Pocken heimgesucht, die damals in Schweden grassirten und Tausende hinrafften, und verfiel in tödtliche Krankheit.
English translation (my own):
Another event which influenced Kristina's personal circumstances and which shortly afterwards became important for the kingdom was a highly unexpected act by the Dowager Queen. Through her exclusion from the regency, and especially from the education of her daughter, through her subsequent complete removal from it, the supervision of her finances by the Council, and the almost royal power of the Grand Chancellor, her discontent and antipathy towards Sweden had grown ever greater, so that she even said: "I would rather have bread and water in a foreign country than royal food in Sweden."
Kristina, however, tried to appease her somewhat by showing her recognition of her maternal authority: for example, she informed her (October 1638) that her governess wished to retire from the office of education because of her advanced age, and asked her to suggest another, as she was convinced that the regency would comply with her wishes and advice. And when Princess Katarina died soon afterwards, she wrote her mother a letter of consolation.
But nothing could console her for the loss of a power which she believed she could legitimately claim. For a long time she had therefore maintained correspondence and communication with Denmark in order to achieve her aims in some way through the mediation of this hereditary enemy of Sweden; she did not tolerate any Swedes among her servants, certainly so as not to be observed and betrayed. She was in fact planning to leave Sweden secretly, and with Danish help. The coldness between the Danish and Swedish courts had been growing ever greater and more noticeable for some time due to political circumstances.
She lived permanently at her widow's seat Gripsholm in Södermanland, from where she could easily manage her escape. Kristina, who had received some news of this, invited her mother most earnestly to come to her in Stockholm, supported and probably encouraged by the regency. She came, but soon hurried back again under an apparent pretext, because she had received news that the Danish ship which was to take her away had arrived. From Gripsholm she soon afterwards (July 1640) accomplished her escape with great cunning and was taken to the Danish island of Falster.
The news of her flight must have caused the regency great consternation and displeasure. Kristina was no less affected by it. She immediately informed her uncle and asked him to come to her quickly. Her mother had gone, no one knew where, almost unaccompanied, "which has made me and the government so perplexed that one does not know what to do."
Both the regency and the Swedish nation were very upset about this step by Gustav Adolf's widow and Denmark's assistance, especially as the rumour magnified the circumstances and presented them in the most glaring light. The former openly expressed its displeasure to the Danish resident and was not very satisfied by King Christian's apologies. The Estates soon decided to confiscate the dower estate, but to leave further measures to the Council, taking into account the interests of Queen Kristina and the honour and security of the realm. Her name was also excluded from public prayers.
She remained in Denmark for a while, especially as the disagreements between King Christian and the Swedish government were further increased by this event. However, the latter soon wished to see her removed from his state and thought it best that she go to her closest relatives in Brandenburg. The Swedish regency also agreed that she should go to her nephew, the Elector Friedrich Wilhelm of Brandenburg, until the young Queen came of age and took over the government, when she would then come to terms with the Elector about her mother's proper maintenance. And because Maria Eleonora did not wish to return to Sweden either, everyone agreed on this.
To this end, negotiations were started with the Elector, which for a time encountered obstacles due to the political situation in Sweden and Brandenburg. Only after two years of negotiations did the matter come to an end: Maria Eleonora received her full dower estate back, as well as significant benefits, and she went to live with her nephew, the Elector. She lived there until 1648, when she returned to Sweden.
Even in these circumstances she was always dissatisfied. Since the death of her noble husband, she was never again cheerful and happy. Kristina, however, seems to have taken no direct part in these negotiations, although they were conducted in her name and the King of Denmark wrote to her directly on several occasions — she merely increased her mother's income by a significant allowance.
So now every bond between Kristina and her mother was completely broken. Her noble aunt, Princess Katarina, was also taken away from her side; and none of the women who took her place seems to have gained Kristina's affection and trust. From the age of 12, Kristina was completely alone, without a female being to whom she was deeply attached, who could have shaped her mind and guided her in decisive developments and circumstances in life; surrounded only by men who entertained her with talk of state and war or of learning, devoted to studies with true passion, but also paying attention to the interests of the state and people from an early age. Thus her mind and spirit early gained a great masculine maturity and strength, femininity increasingly receded and was suppressed, and soon she took decisive steps to take the reins of government herself.
But before we turn to this, we must mention a few moments from her private and quiet life, which were indeed transient, but are connected with her subsequent history. Among these is the fact that she repeatedly contracted severe physical ailments through her strange way of life and her constant nighttime studying. For example, she was struck down with a dangerous chest infection (in 1637); a few years later (1641) she was so seriously ill that 300 dalers were donated to the poor of the capital when she recovered; and in her 12th year she was struck down by the smallpox, which was raging in Sweden at the time and was killing thousands, and she fell into a fatal illness.
Above: Kristina.
Above: Maria Eleonora.
No comments:
Post a Comment